Christian Haass, geboren 1960 in Mannheim, studierte Biologie in Heidelberg. Danach forschte er in den USA an der Harvard Medical School und wurde dort schließlich Assistenzprofessor für Neurologie. Es folgte eine Professur am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (Universität Heidelberg). Im Jahre 1999 wurde er Lehrstuhlinhaber für Biochemie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Leiter der Abteilung Stoffwechselbiochemie am Biomedizinischen Zentrum der LMU. Seit 2009 ist Haass zudem Sprecher des DZNE-Standorts München.
Anfang der 1990er-Jahre begann Haass sich mit dem Eiweißstoff „Amyloid-Beta-Peptid“ zu befassen. Bei Menschen mit Alzheimer verklumpt dieses Molekül und lagert sich in Form von „Plaques“ im Hirngewebe zwischen den Nervenzellen ab. Entgegen der damaligen Auffassung konnte Haass nachweisen, dass das Amyloid nicht notwendigerweise Bestandteil krankhafter Prozesse ist, sondern auch im gesunden Gehirn vorkommt. Heute wird daher angenommen, dass bei einer Alzheimer-Erkrankung die Produktion oder der Abbau dieses Proteins gestört ist. In der Tat fand Haass später heraus, wie genetische Mutationen, die mit seltenen und früh auftretenden Formen der Alzheimer-Erkrankung einhergehen, eine Überproduktion von Amyloid verursachen. Infolgedessen kommt es zur Anhäufung dieses Eiweißstoffes im Gehirn und zur Entstehung der charakteristischen Plaques. Haass‘ Forschung lieferte wichtige Erkenntnisse darüber, wie das Amyloid unter der Wirkung bestimmter Enyzme (Sekretasen) aus einem größeren Molekül (Amyloid-Vorläuferprotein) hervorgeht. Seine Arbeiten und die weiterer Wissenschaftler führten letztlich zur Formulierung der „Amyloid-Kaskadenhypothese“. Dieser zufolge spielt das Amyloid nicht nur bei der erblich bedingten Form von Alzheimer eine wichtige Rolle, indem es eine Reaktionskette in Gang setzt, die letztlich zum Tod von Hirnzellen führt. Das gilt auch für die weitaus häufigere, der sogenannten sporadischen Variante von Alzheimer.
Christian Haass bereitete somit den Weg für therapeutische Ansätze, die darauf abzielen, die Entstehung von Amyloid-Aggregaten zu unterbinden oder deren Abbau zu fördern. Bislang konnten klinische Studien, die auf diesem Konzept beruhen, den Rückgang der Gedächtnisleistung zwar nicht aufhalten – es wird jedoch vermutet, dass diese Therapieversuche zu spät einsetzten. Denn es wurden Personen behandelt, die bereits Symptome von Demenz aufwiesen. Doch die Hirnschädigungen beginnen viele Jahre vorher – lange bevor sich Symptome bemerkbar machen. Daher werden Therapien, die beim Amyloid ansetzen, auch weiterhin als mögliche Strategie gegen Alzheimer verfolgt.
In jüngsten Jahren dehnte Haass seine Forschung auf weitere Aspekte der Alz-heimer-Erkrankung aus und untersuchte die Rolle der Immunzellen des Gehirns: der „Mikroglia“. Er stellte fest, dass vor allem im frühen Krankheitsstadium ein molekularer Schalter (das TREM2-Protein) die Mikroglia dazu veranlasst, Ablagerungen von Amyloid zu beseitigen. Haass entwickelte daraufhin ein neuartiges Therapie-Konzept: Per Einwirkung auf TREM2 zielt dieses Konzept darauf, den Abbau von Amyloid-Aggregaten durch die Mikroglia zu fördern. Dieser Ansatz wird inzwischen in Kooperation mit Industriepartnern erforscht. Des Weiteren fand Haass heraus, dass die Konzentration von TREM2 im Nervenwasser zunimmt, wenn die Mikroglia aktiviert werden. Insofern könnte TREM2 als Biomarker dienen und dazu beitragen, Alzheimer bereits im Frühstadium und noch vor dem Auftreten von Demenzsymptomen zu erkennen.
Für seine Forschung wurde Christian Haass schon mehrfach geehrt – unter anderem mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und zuletzt 2018 mit dem Brain Prize, der weltweit bedeutendsten Auszeichnung für Hirnforschung.